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Mercedes-Benz 280SE 12V ECOTEC (Political Corectness) - kurz Nuttenschaukel:

Die Story

 


Die Geschichte nahm ihren Anfang, als zwei notorische Schulschwänzer und Unterrichtsträumer aus Stuttgart durch eine Verkettung vieler glücklicher Umstände im Juni '98 zwei halbwegs anständige Hochschulzugangsberechtigungen in ihre Hände gedrückt bekamen.

Als für uns nur logische und unabdingbare Konsequenz überliessen wir die restlichen Unterrichtstage denen, die sich offensichtlich inzwischen daran gewöhnt hatten und entschieden uns vielmehr unseren ja in den davor liegenden Wochen gezwungenermassen unterdrückten Feierinstinkt zu pflegen.

So wurde bei Cocktail + Co. der Urlaub geplant, soll heissen die Urlaubsziele - nicht etwa die Wege dorthin. Kurz darauf (oder nach 1½ Gläsern Gin-Tonic) stand fest: Ein Auto muss her - und zwar ein standesgemässes. Schliesslich gehörte uns mit unseren frischgebackenen soliden zweikommairgendwas-Abis die Welt und mehr. Klotzen statt kleckern war die Devise. 10 Minuten später war die gute Sperrmüllzeitung besorgt, die Rubrik wenig-Geld-viel-Tüv aufgeschlagen und in allem Übermut das Auto schon so gut wie gekauft. Die Auswahlkriterien waren sofort aufgestellt und unumgänglich:

  • genügend Tüv bis zum Urlaubsende
  • Platz für zwei Snowboards im Kofferraum
  • Stil.


Unsere Erwartungen (wir dachten an Ford Granada Kombi, Gurken-Transit oder an einen Golf GTI Caddy-Pickup) sollten bei weitem übertroffen werden: Unser Objekt hatte noch 1½ Jahre Tüv (einen Gruss an den Prüfer...), es passten sogar unglaubliche drei Snowboards quer (!) in den Kofferraum und Stil hatte es wahrlich genug. Genau genommen 4,95 Meter.

Es war um uns geschehen! Denn was da bei einem Bauernsohn auf der Schwäbischen Alb in der Scheuer stand war schlichtweg der Hammer: ein Mercedes Benz 280SE W116 Baujahr 75 in Viagrablau mit schwülstiger Innenausstattung in Zuhälter-Cremeweiss.
Dazu noch ein elektrisches Schiebedach (das auch wirklich meistens funktionierte), eine verfaulte Heckscheibenheizung, eine Cruiser-Automatik (taugte auch als Heizer - Automatik) und das Beste: einen elitären Aufkleber des Jagdclubs Luxemburg!

Welch dekadente Nuttenschaukel: der Benz hatte fortan seinen Namen weg. Tags darauf sah man uns ungeduldig auf die Alb hetzen, um unser Schmuckstück zu begutachten, abends darauf um 1100.-DM ärmer und mit grinsenden Gesichtern hinterm Steuer - Volant - wieder herunter gleiten.



Und ja - wir geben es ja zu - wir sind auch nur zwei chauvinistische Männer, deren Egos sich auf ihren fahrbaren Potenzpotenzierern begründen: wir fühlten uns besser. Vor allem immer dann wenn wir mit 1100 Mark gespachteltem Rost frischgeleaste Calibras + Co. versägten.
Dieses Auto war wohl das Symbol schlechthin für unsere damaligen Denkweisen: Was kostet die Welt - wir hams ja und nach uns eine Sinnflut! So nahmen wir fortan die linken Spuren der umliegenden Autobahnen in Beschlag und verwandelten unser halbes Vermögen in 185 PS und genausoviel blaugraues Abgas - und so schnell holte uns da keiner mehr runter.
Eigentlich nur die Tankanzeige, zu der wir im Laufe der Zeit eine respektvolle bis unterwürfige Beziehung entwickelten. Denn von der „durch das neue Verfahren der Bezineinspritzung unerreichten Ökonomie" laut MB-Verkaufsprospekt war mit 18 Litern auf 100 fliegenden Kilometern wenig zu spüren.

Die von den Untertürkheimer Ingenieuren allzu kühne Einschätzung ihrer technischen Pionierleistungen bescherte dem Benz prompt eine Erweiterung seiner Typenbezeichnung. Vom Zivi-Opel Corsa Dreizylinder wurde kurzerhand das ECOTEC - und wo wir schon dabei waren - das 12V-Emblem gemobbt und auf den Benz geklebt. Wenigstens 12V ist ja korrekt. Aber sechs Pötte / zwei Ventile oder drei Pötte / vier Ventile macht einen Unterschied. Doch jetzt war unser Wagen ein echter 280SE-12V ECOTEC.
Wie schön, denn ein bisschen Political Correctness muss schon sein und bestimmt brauchte er von nun an einen halben Liter weniger.

Jetzt musste der Benz nur noch urlaubstauglich gemacht werden. So wurden noch eben zwei schöne, weil wie die Innenausstattung cremeweisse Heco 3-Wege Regalboxen in die hinteren Fussräume gelegt (Platz ohne Ende), die bei Bedarf aufgrund der langen Anschlusskabel auch aus dem Schiebedach aufs Dach gestellt werden konnten. Da machen sogar Autobahnstaus Spass - Gruss an alle, die vor und nach der Loveparade '98 mit uns auf der A9 getanzt haben.



Für alles andere neben dieser Korrekturen war aber keine Zeit mehr, da wir eigentlich nur so schnell wie nur möglich in den wohlverdienten Urlaub starten wollten, anstatt die sonnigen Tage unter dem Auto zu verbringen. So ignorierten wir generös den gesunden Ölverbrauch und andere Kleinigkeiten und gingen gleich zum Packen über. Doch nachdem wir alle unsere Klamotten, zwei Lebensmittelgrosseinkäufe, zwei Schlafsäcke, zwei Snowboards und Boots, zwei Kisten Bier, zwei Socken sowie Zelt- und Campingkram verstaut hatten kam die grosse Überraschung: Der Kofferraum war nicht mal annähernd voll.

Was nun? Nach krampfhaften Überlegungen, was wohl vergessen wurde oder was noch fehlen könnte kamen wir zum Entschluss: Wenn man in den Urlaub fährt, hat der Kofferraum auch gefälligst voll zu sein! So entschlossen wir uns dazu noch ein drittes Snowboard mitzunehmen (man weiss ja nie), unser komplettes Autopflegeset (inklusive Neuwagenpolitur) sowie sämtliche Decken und Teppiche.

Und schon eine Stunde später flogen wir dem Süden entgegen. In der geschwindigkeitskastrierten Schweiz ging es dann darum, zwei Tonnen in das auf 1800 m gelegene Saas Fee zu schleppen. Mit 2800 Kubik Hubraum macht allerdings das Hochfahren genauso Spass wie das Runterfahren, besonders mit den recht schmalbandigen 185er Reifen, die Grenzbereiche ziemlich früh hören lassen.
[boarden - 50k]



Nach einigen Erholungstagen in Locarno und nochmaligem Check aller Aggregatflüssigkeiten beschlossen wir aufgrund des Ausscheidens der italienischen Fussball-Nationalelf bei der WM 98 von unserem ursprünglichen Reiseziel Sorrento abzuweichen und fuhren Hals über Kopf nach Monaco, um uns auf keinen Fall irgendwelche WM-Partys entgehen zu lassen. Fussball ist ja nicht unser Ding, aber bei Festen sind wir schon manchmal dabei.

Und selbst bei den WM-Feiern der Franzmänner diente uns unserer Monster-Benz. So geschah es, dass wir uns auf Cannes' Strandpromenade just nach dem gewonnenen Halbfinale in einem wilden Haufen verrückt gewordener Franzosen, lachender Mädels, flitzender Mofas, hupender Autos und überfüllt-wankender Kleintransporter in einem Autocorso wiederfanden.
Gut integriert war da wohl auch der verplante Franzose, der wild aus dem Schiebedach winkend wohl vergass, dass er sich in einem rollenden Untersatz befand und mit seinem R5 fast an unserer monströsen Doppel-Heckstossstange samt Anhängerkupplung zerschellt wäre. Der Renault sah nicht mehr so schön aus, bei uns blieb es bei ein paar kleinen Kratzern im Gummi. Ein Hoch auf die MB-Sicherheitstechnik...

Von unserer Tour de Verschleiss '98 zurückgekommen sah es um unser Babe gar nicht mehr so S-klassig aus. Der Lack sah nach den verschiedenen Anforderungen zwischen hochalpinen Gebirgen und sandigen Küsten nicht mehr so sprühdosenfrisch wie zuvor aus, der Motor bläute wie James Watts gute alte Dampfmaschine.
Ouh Ouh!

Dank Polish unseres Lackierers war die Optik bald wieder korrigiert. Das Mittel soll zwar bleihaltig sein (andere Zutaten wollen wir gar nicht kennen) und das Tuch hat hinterher die Farbe des Autos... aber es wirkt.
Die Maschine konnten wir wieder einstellen. So langsam machten sich die über zweihunderttausend Kilometer und acht Vorbesitzer bemerkbar.

[schrauben - 50k]


Doch kurz darauf fing auch schon der Motor an, seinem sanften Gluckern ein komisches metallisches Klackern beizumischen. Und somit kamen wir direkt vom Regen unter Umgehung der Traufe in die Scheisse.
Was unser Hausmechaniker Nufer aus Stuttgart nüchtern als „oiglaufene Noggäwell" deklarierte war für uns schlichtweg eine Katastrophe. Unser Baby will doch nicht krank werden.

Eine teure Werkstatt kam nicht in Frage, und so namen wir uns Werkzeug und Herz und fingen an, den Motor zu zerlegen. Doch - das alte Hochgefühl war sofort wieder zur Stelle: Die Ursache war dann doch nur ein kaputtes Gewinde der Ventileinstellschraube und ein daraus resultierendes Ventilspiel von zirka 100 Millimetern.
Soviel hatte ein Panda gerade mal Kolbenhub!

 
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